Druckversion (pdf) drucken.gif (955 Byte)

"Übermut der Demoskopen"


Der Wuppertaler Professor Fritz Ulmer hält die Prognosen der Meinungsforscher zur Wahl nur bedingt für aussagekräftig.

Wuppertal. Der Countdown läuft. Nur noch wenige Tage bis zur Wahl. Die Umfrageinstitute überbieten sich gegenseitig mit neuen Prognosen. Aber deren Zahlen, die sich selten so stark verändert haben wie vor dieser Bundestagswahl, sind jetzt ebenfalls Gegenstand kritischer Nachfragen geworden.
Der Wuppertaler Statistik-Professor Fritz Ulmer hält die veröffentlichten Ergebnisse, die mal die SPD, mal die CDU vorne sehen, für "demoskopischen Übermut". Die Genauigkeit, die die Umfragen vorgeben, sei nicht möglich: "Die Schwankungsbereiche sind so groß, dass die Zahlen eigentlich keinen Informationswert haben."

Seit Jahren wirft er einen äußterst kritischen Blick auf die Methoden der Umfrageinstitute und ist überzeugt: Die meisten Prognosen beruhen nicht auf der Sonntagsfrage, sondern "schreiben alte Wahlresultate unter Berücksichtigung der Veränderungen in der politischen Situation und der Ergebnisse der Sonntagsfrage fort".
Aber das ist nur ein Punkt der langen Liste von Vorwürfen, die Ulmer gegenüber den Forschungsinstituten erhebt. Vor allem kritisiert er, dass die so genannten Fehlertoleranzen in der Regel nicht angegeben werden. Wenn, wie üblich, in etwa 1000 bis 1500 Personen befragt werden, ist es statistisch nicht möglich, eine exakte Prozentzahl für alle Wähler vorherzusagen. Wenn Allensbach 37,3 Prozent für CDU/CSU voraussagt, so fehlt hier nach Ulmer die Angabe der so genannten Fehlertoleranz: "Bei 1000 Befragten muss man von einer Spanne von plus minus vier Prozent bei den großen und zwei Prozent bei den kleinen Parteien ausgehen. Wenn die Anzahl der Befragten verdoppelt wird, reduziert sich die Fehlertoleranz um 40 Prozent." In diesem Fall müsste die korrekte Angabe also lauten: CDU/CSU liegt zwischen 33,3 und 41,3 Prozent. In den USA seien auch die Medien inzwischen zu dieser Genauigkeit verpflichtet.

Ulmer kritisiert auch, dass unterschlagen wird, wie viele Personen die Beantwortung der Frage verweigert haben und wie oft die ausgeloste Zielperson bei den in der Regel telefonischen Befragungen gar nicht angetroffen wurde und ein anderes Haushaltsmitglied geantwortet hat. Und schließlich gibt Ulmer zu bedenken: "Wer sagt schon gerne am Telefon, dass er gar nicht zur Wahl geht?"
Am wenigsten ist seiner Meinung nach mit den Umfragewerten für die PDS anzufangen: "In den neuen Bundesländern werden von den meisten Umfrageinstituten durchschnittlich nur 250 Personen befragt. Davon werden zehn bis 30 Prozent die PDS favorisieren, im Westen werden es nur null bis 2,5 Prozent sein. Es ist lächerlich, auf dieser Grundlage für die PDS in etwa vier Prozent aller am Sonntag abgegebenen Stimmen vorherzusagen."

Fritz Ulmer hat Informationen im Internet zusammengestellt und ein Simulationsprogramm für Wahlumfragen entwickelt.

www.wahlprognosen-info.de

Von Susanne Keil

© Westdeutsche Zeitung

Druckversion (pdf) drucken.gif (955 Byte)